Montag, 25. März 2013

In der Hauptstadt

Alles neu bringt der Mai März.
Mit einem neuen Blogdesign noch vor Beginn meines neuen Eintrages eine weitere Neuerung.
Oben in der Navigationsleiste findet ihr jetzt den Punkt "Portal".
Beim Klicken auf diesen Punkt gelangt ihr auf die Seite, auf der sich vormals nur mein Fotoalbum befand. Da sich in meiner Arbeit manchmal einfach freie Stunden fügen, in denen nichts zu tun ist, habe ich aus diesem Part nun eine größere Seite gemacht. Dort möchte ich in Zukunft nicht nur Fotos posten, sondern auch Tipps und Hinweise zu Themen, die ich hier gerade kennenlerne, sowie zum Beispiel ein wenig estnische Musik und Zugang zu meinen momentanen Lieblingsrezepten.
Dieser Part entsteht erst nach und nach. Daher werden sich die Lücken mit der Zeit erst füllen.
Viel Spaß beim Klicken!
Hinterhof im Teil Mustakivi des Stadtbezirkes Lasnamäe,
das zu Sowjetzeiten geschaffen wurde, als Tallinn
russifiziert wurde
Nun zu meinem letzten Wochenende, dass mit einer heiteren Busfahrt von Tartu nach Tallinn begann. Neben mir Anna, mit der ich die Busfahrt gestaltete. Aufgrund streikenden Businternet's namen wir uns das Schachspiel auf meinem Laptop vor.
Um 8 Uhr abends in der estnischen Hauptstadt angekommen, empfing uns Dragan, ein Freiwilliger aus Mazedonien, den ich auf meinem On-Arrival kennen gelernt habe. Zusammen ging es in das ca. 30 Minuten entfernte Mustakivi, einen Teil des ex-sowjetischen Viertels Lasnamäe, indem zu Zeiten russischer Besetzung etlichen Wohnblöcke aus dem Boden gestampft wurden.
In der zweistöckigen Jungs-WG in der höchsten Etage des Hauses betrachteten wir die typische Wohnblocklandschaft ehemaliger Sowjetzeiten aus dem Fenster und verbrachten den Abend ruhig und mit Gesprächen, wo wir auch Dragans Mitbewohner Roman (aus Moldawien - auch von meinem On-Arrival) wiedersahen und zwei neue Gesichter trafen - Julian und Alex aus Deutschland.
Am nächsten Morgen striffen Anna und ich zunächst mit dem Bus durch Lasnamäe und trafen  uns gegen Mittag am Stopp "Estonia" mit Gianluca (Dragan musste arbeiten), der uns zunächst in ein Pfannkuchenhaus führte, wo wir bei "kohv ja pannkoogid" (Kaffee und Pfannkuchen) ein wenig plauderten.
Im Antiquariat
 Weiter ging es zu einem im dritten Stock eines ehemaligen Industriehauses gelegenen Trödelmarkt. Neben Münzen, Kleidung und einer Menge an Büchern und Schallplatten gab es auch Artefakten aus Sowjetzeiten. Geblendet von all den Eindrücken aber ohne Einkauf (bislang) ging es nahtlos weiter an den nebenan gelegenen russischen Markt, wo wir uns am längsten in einem Antiquariat aufhielten. Neben weiteren Sowjetartefakten fand man dort auch hunderte Kameras, Haushaltsgeräte, Samoware, Uniformen und Gasmasken, Geschirr, sowie Bücher aus vielen Dekaden - die meisten darunter Russisch, Deutsch und Estnisch, aber auch Englisch und Esperanto.
DDR-Bücher (ich erstand ein Kochbuch), Sowjetmagazine und Märchenbücher in altdeutscher Schrift türmten sich übereinander. Ich schätze wir waren insgesamt eine Stunde in diesem Geschäft. Auch viele Artefakte aus Zeiten des Naziregimes waren zu sehen, so etwa Orden mit dem Reichsadler und dem Hakenkreuz, aber auch Streichholzschachteln mit nazideutschen Kampfflugzeugen. Hier in Estland ist - wie in vielen Ländern, aber anders als in Deutschland - der Privatbesitz von solchen Gegenständen nicht verboten, sondern lediglich die öffentliche Darstellung.

Blick über die Altstadt

Nach einem weiteren Abstich durch den Rest des Russenmarktes ging es weiter zur Besichtigung der Altstadt, die sich so sehr vom Rest Tallinns unterscheidet. In Tallinn gibt es viele Gesichter: die moderne Innenstadt mit Hotelhochhäusern und Designerketten, die zu Zeiten der UdSSR erbauten Plattenbausiedlungen, die alten kleinen Straßen mit den typisch estnischen Holzhäusern und die mittelalterliche Innenstadt mit ihren kleinen Gassen und Pflastersteinstraßen.
Orthodoxe Alexander-Newskij-Kathedrale
Wir erklommen sobald den Aussichtspunkt und konnten die Tallinner Bucht überblicken - mit dem Hafen, den Kirchtürmen und den ankommenden Kreuzfahrtschiffen und Fähren, aber ebenso mit dem Lauluväljak, dem Fernsehturm, den Hochhaussiedlungen und den modernen Wolkenkratzern.
Die vielen Facetten in dieser kleinen, aber doch feinen Hauptstadt, haben mich sehr begeistert.
Dafür, dass in Tallinn gerade einmal 400.000 Menschen leben (davon ungefähr 50% ethnische Esten und 40% ethnische Russen), besitzt diese Stadt doch ein sehr kosmopolitisches Flair.
Vom Aussichtspunkt ging es weiter durch die Altstadt, die sich mir sofort ins Herz schlich. Mein nächster Besuch hier wird wohl nicht erst wieder 2 Monate dauern.
Auch an den Vabaduse Väljak (Platz der Freiheit) gelangten wir, wo wir zu Gianlucas Wohnung kamen und etwas zu uns nahmen.
Blick Richtung Hafen
Zurück in der Innenstadt erklommen wir (mit dem Aufzug :-D) sofort den Turm des Radisson Blu Hotels von Tallinn, wo wir erneut über die Stadt blicken konnten, doch diesmal auch auf die Altstadt, von der aus wir ja das letzte Mal geschaut haben. Ein wunderbarer Ausblick in vielen Metern Höhe über dem Boden.
Im Anschluss zog es uns mit der Tram an den zugefrorenen Strand, der in mir irgendwie eine zweite Kindheit ausgelöst haben muss. Zwischen den Steinen sprang ich hin und her, genoss es, die Eisschollen zu bewegen und trat auf das barstende Eis ein. Trotz Rumrutschens und Rumkletterns tat ich mir jedoch nichts, sondern überlebte ohne Schramme. Nach dem ich mich austoben durfte, fühlte ich mich allerdings sofort besser. Einmal nochmal Kleinkind sein. Super :)
Nach einem Kaffee ging es weiter zurück zu Dragan, wo wir unser Zeug abholten (wir schliefen die darauffolgende Nacht bei Gianluca) und zurück zu Gianlucas Platz und erneut zum Platz eines weiteren Freiwilligen, wo wir in einer kleinen Gruppe zu Abend aßen (Mein Gott war das ein Hin und Her ;-) )

Im "Baieri Kelder" (Bayrischen Keller) wird "saksa köök"
(Deutsche Küche) serviert! :-)
Im Anschluss zog es Anna, Gianluca und mich dann in die Altstadt, wo wir zunächst in einer Studentenbar Riesen-Yenga spielten (dieses Spiel, wo man aus einem Turm Holzstäbe rausziehen muss und wieder oben auflegt) und dann weiter zogen, um den Abend dort zu verbringen.
Sonntag gegen Mittag zog es uns schließlich zurück nach Tartu und dann nach Maarja Küla.
Im Bus saß ich direkt hinter dem Fahrer und konnte so auf die Landschaft blicken - der Wahnsinn.
Man muss dazu wissen, das im Baltikum Fernbusse das wichtigste öffentliche Verkehrsmittel sind. Wer hier als Busfahrer arbeitet, der hat für seine Zukunft ausgesorgt. Diese Berufsgruppe ist hier einfach unerlässlich.
Alles in Allem war mein Trip nach Tallinn - in die Hauptstadt meiner vorübergehenden Wahlheimat eine wunderbare Reise, die mir nicht nur eine Menge Spaß gemacht hat, sondern mir auch noch diese wunderschöne Stadt aufzeigte.
Blick auf die Altstadt ... und mich :-)
Mein Tipp an alle ist definitiv, einmal nach Tallinn zu kommen.
Ich werde es sicher noch ganz oft - und zwar nicht nur, um mit dem Bus oder dem Zug umzusteigen. :)
Aitäh Tallinn! Sa oled väga ilus!
Ma tulen tagasi!

Nägemiseni,
Marcel







P.S. Zum Namen Tallinn: Der Name Tallinn kommt von "Taani Linn", was "dänische Stadt" bedeutet und von der dänischen Besetzung im Mittelalter herrührt. Daraus erklärt sich, warum man Tallinn mit zwei N am Ende schreibt. Wieder was gelernt ;-)


P.P.S. Weil's so süß ist, noch ein dickes DANKE an Antonia. Ich habe mich heute sehr über dein Päckchen gefreut!

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