Mittwoch, 28. August 2013

Welcome to Estonia ... and Helsinki


Am 14. August schrieb ich für meinen Blog von einem für meine Berichterstattung eher untypischen Ort – mitten von der Ostsee, denn an jenem Morgen saß ich auf einer Viking-Line-Fähre die unter schwedischer Flagge über den Finnischen Meerbusen bretterte. Auf dem Weg von Tallinn nach Helsinki.
So saß ich, lehnte an einer Glasscheibe in einem Gang (hinter mir ist aber nicht viel Interessantes zu sehen gewesen, denn das Wetter war sehr regnerisch) und habe meinen PC an eine aufgefundene Steckdose eingestöpselt. Abwechselnd stapften an mir alle möglichen Nationen vorbei: Amerikaner, Schweden, Finnen, Esten, Russen, Deutsche, Spanier, Franzosen, usw.
Doch erst einmal von Anfang an:
Aufgrund ungeplanter Umstände (die wirklich UNGEPLANT waren, denn so etwas will keiner freiwillig) konnte ich leider nicht an meinem MidTerm-Seminar in Leppoja (bei Tallinn) teilnehmen, weshalb ich später erst im November an einem weiteren Seminar teilnehmen kann. Eine dicke Mandelentzündung hat mich dahin gerafft – am Anfang sogar so miserabel, dass ich nachts nicht schlafen konnte und Alina mich erst einmal Samstagmorgen ins Krankenhaus gefahren hat. Die Beste aller Entscheidungen war daher, nicht am Seminar teilzunehmen. So lag ich viel im Bett, hab so viel Suppe gegessen wie noch nie in meinem Leben und dazu gab es zur Abwechslung viel Tee und Tee und noch mehr Tee …. und Eiscreme. Nun ging es mir aber immerhin zum Urlaub hin schon wieder so viel besser, dass die Mandel abgeschwollen sind und das Fieber entflogen war. Lieber krank VOR dem Urlaub als krank IM Urlaub.
So startete ich schon am 13. August am Abend mit meiner Kraxe auf nach Tartu, wo ich im Maarja Küla Apartment vielleicht drei Stunden (optimistisch geschätzt) schlief, bevor ich um 2:50 Uhr einen Nachtbus nach Tallinn bestieg, der dort kurz nach 5 ankam. Der Kleinbus knöpfte mir gleich einmal 17 Euro ab (normal sind zwischen 5 und 10), aber einfach auch nur deshalb, weil es der EINZIGE Bus ist, der zwischen 11 Uhr abends und 5 Uhr morgens Tartu Richtung Tallinn verlässt) Im Bus habe ich auch nicht ganz so viel geschlafen wie gewollt, aber immerhin war die Fahrt angenehm.
Kurz nach fünf schlich ich also vom Bus in den Busbahnhof, schlang ein kleines Frühstück hinunter und stapfte im Regen in Richtung Passagierhafen. Eine heitere Suche. Tallinn ist für eine Haupstadt nicht sehr groß (ca. 400.000 Einwohner) und unheimlich klar strukturiert, dennoch war es eine merkwürdige Suche, wenn man bedenkt, dass mein einziger Anhaltspunkt „Richtung Zentrum und dann in den Norden" war. Der Spaziergang gefiel mir trotz Regen und Nässe von innen (mit der Regenjacke war es sehr heiß, doch ohne ging wegen des Niederschlages nicht). Mir kamen auch ein paar Rucksacktouristen, wie ich es bin, entgegen. Über mir kreisten schon die Möwen, was mich das Meer in schmackhafter Nähe erahnen ließ. Schließlich gelang es mir dann kurz nach sechs am Terminal zu sein und in etwa 8 Uhr stachen wir dann in See.
Mir gefällt das Fahren auf einer Fähre sehr. Die Atmosphäre am Hafen ist wie am Flughafen, nur gemütlicher und entspannter ohne lange Pass- und Sicherheitskontrollen. Der Fakt, wie so ein riesiger Stahlgigant so schnell auf dem Wasser schwimmen kann, überwältigt mich immer noch ein wenig. Auch die Vielfalt im Innenraum beeindruckt mich, wenn ich bedenke, dass dies noch eine relativ normale Passagierfähre ist. Bars, Restaurants, Coffee-Shops, ein Spielcasino, ein großer Duty-Free-Shop.
Das Ablegen in Tallinn war ein wahnsinnig schöner Moment, auch wenn ich drei Minuten gebraucht habe, um zu realisieren, dass sich das Boot und nicht Tallinn wegbewegt. Wenn auch das Wetter hätte schöner sein können, so gefiel der Anblick generell doch sehr, wie die Altstadt von Tallinn, aber auch die Hochhäuser und der Fernsehturm langsam kleiner werden und die großen Wellen hinter dem Boot aufschlagen. Estland – das Land das mir so ans Herz gewachsen ist, sagt „Nägemist!“ und die offene See erwartet uns. Wir hätten in dem Moment, indem ich diese Zeilen getippt habe (leider konnte ich sie wegen eines Fehlers von Google nicht veröffentlichen), in etwa kurz über dem Mittelpunkt zwischen Tallinn und Helsinki gewesen sein. Zweieinhalb Stunden dauert die Überfahrt in etwa. Leider habe ich keine Bilder vom Ablegen in Tallinn machen können, da ich Batterien zu kaufen vergessen hatte, aber dank Bordshop habe ich Bilder von der Einfahrt in Helsinki.
In Helsinki traf ich dann auf Bettina, die mit dem Bus aus Sankt Petersburg angekommen war. Unter sehr witzigen, aber auch komplizierten Umständen mussten wir uns in einer Metrostation in Helsinki treffen (Bettina hatte kein Geld mehr auf dem Telefon und ich konnte sie nicht anrufen, um nachzufragen wo sie war), doch wir haben uns nicht verpasst. Im Regen ging es schon ein wenig durch die kleine, süße Innenstadt von Helsinki, doch irgendwann bestiegen wir dann den Shuttle zum Flughafen, wo wir gegen 18 Uhr Antonia in Empfang nehmen durften. Antonia hatte von uns Flugtickets zum 18. Geburtstag geschenkt bekommen und so durften wir sie bald in die Arme nehmen.
 Den Abend verbrachten wir im Flughafen, wo wir uns viel erzählten, viel meines mitgebrachten Essens verspeisten (ich habe alles Essen aus Estland mitgebracht, weil das Einkaufen in Finland und insbesonders in Helsinki SEHR teuer ist) und jede Menge lachten. Irgendwann parkten wir uns mit Schlafsäcken zwischen unser Gepäck auf eine große Bank und verbrachten dort die Nacht - mitten im Gang. Am nächsten Morgen erstanden wir dann aus unserem Schlaflager und zogen nach einem Frühstück weiter nach Helsinki. Dort verbrachten wir den Tag mit einer Menge an Sightseeing - durch den Senatsplatz, die Domkirche, die Uspenski-Kathedrale, den Hafen, usw.
Am spannendsten und eindrucksvollsten war aber auf jedenfall der Aufenthalt auf Suomenlinna einer alten Schwedenfestung auf drei Inseln, die direkt im Hafen liegen. Mit einer städtischen Fähre fuhren wir etwa 15 Minuten zum Anlegeplatz, von wo aus wir den Rundgang auf der Insel begannen. Zunächst hielten wir den Spruch aus dem Reiseführer, man benötige gut fünf Stunden für den Rundgang auf Suomenlinna, für pure Übertreibung ... das bisschen Insel. Doch schon bald erfuhren wir, wie genau die Rechnung sein konnte. Wir waren nur auf zwei der Inseln und benötigten schon gut 3-4 Stunden. Doch es lohnte sich. Suomenlinna ist ein eigener Stadteil von Helsinki, in dem gut 900 Menschen ihr zu Hause haben. Diese wohnen in alten umgebauten Anlagen der Festung oder kleinen Fischerhäuschen. Der überwiegende Teil der Insel besteht jedoch aus alten Maueranlagen und Klippen, sowie Anlagen der finnischen Marineschulen und Museen.
Am überzeugendsten gewannen uns die Klippen für sich. Die grünen Wiesen, gewaltigen Festungsmauer und die rohen Steine, an die die Meerbrandung rau anpeitschte, erinnerten uns alsbald an Bilder aus Schottland oder Irland. So saßen wir eine Weile an den Klippen, während Möwen an uns vorbeizischten und der Wind uns ins Gesicht schlug.
Am Abend bestiegen wir dann bei untergehender Sonne die Fähre nach Tallinn. Beim Hafenauslauf aus Helsinki bot sich uns ein gewaltiges Bild: der Himmel über der Stadt war lila und blau und überall strahlten die Lichter der Stadt und der Boote auf. Ein wahres spektakel.
Auch der Hafeneinlauf in Tallinn war spektakulär. Die Altstadt wurde ästhetisch angestrahlt und auch die Hochhäuser der Neustadt waren in sattes Licht getaucht. Es war Mitternacht und somit konnte man auch die Sterne und einen tief stehenden blutroten Vollmond bewundern.

Am Hafen nahmen uns dann drei Menschen in Empfang, Elisabeth, ihre Schwester und Martin, unser Couchsurfer (Für das ältere Semester: Couchsurfer sind Leute, die fremde Menschen auf ihrer Couch oder in freien Betten schlafen lassen, damit diese kein Hotel bezahlen müssen)
In seiner Wohnung verbrachten wir die Nacht, bis ich um ca. fünf Uhr Morgens (in Unterwäsche) geweckt wurde und Elisabeth verabschiedete, die an diesem Tag von Tallinn aus ihre Rückreise nach Deutschland fortsetzte.
Gegen Tagesmitte schafften wir es in unserem Dreierverbund dann auch raus aus Tallinn in die zweitgrößte Stadt Estlands - nach Tartu - in "MEINE Stadt".
Dort striffen wir mehrmals durch die Altstadt, versehen mit viel Spaß und Gelächter, zogen in das Einkaufszentrum "Lõunakeskus", wo wir auch im Maarja Küla Shop waren, trafen auf Tamar und Alina und zogen nach einem Pfannkuchenessen noch in verschiedene Bars, wo wir u.A. auch Tischkicker spielten. Nach einer Nacht im Maarja Küler Apartment zogen wir Samstag dann weiter ins Dorf, wo wir die obligatorischer Dorfrunde abhielten, in den Wald gingen, selbst kochten und gegen Abend in die Sauna zogen, wo wir den Abend mit viel Spaß und Gelächter verbrachten.
Sonntag bestiegen wir relativ früh wieder den Bus nach Tartu, wo wir sehr bald weiter Richtung Pärnu aufbrachen.
In Pärnu stiefelten wir bei immernoch sehr gutem Wetter auf durch die kleinen Gässchen zu DEM, wofür Pärnu berühmt ist: den Sandstrand. Dieser zeigte sich zwar von seiner besten Seite, jedoch könnte man die momentane Temperatur der Ostsee schon doch als "kühl" beschreiben.
Der Stimmung und unserer Einstellung, doch ins Meer zu gehen, konnte dies nichts anhaben, und so wagten wir uns in die - an dieser Stelle unglaublich flache - Ostsee, in der wir noch fünfzig Meter vor der Uferlinie nur knietief im Wasser standen ... und so hilflos ansehen mussten, wie Krähen unser Gepäck auseinandernahmen. Außer aufgepickten Tüten und unserer verstreuten Mülltüte geschah dennoch nichts.
Nachdem wir uns noch etwas in der Sonne aalten (schreibt man das so?) und den Nachmittag am Strand verbrachten, schlenderten wir noch ein wenig durch die unglaublich schönen und gut gepflegten Strand-, Kur- und Altstadtgebiete der Stadt, bevor wir uns schließlich mit Hanka trafen, einer tschechischen Freiwilligen, die ihren Dienst in Pärnu vollbrachte (inzwischen ist sie bereits wieder in Tschechien). In dem Haus, in dem sie wohnte, verbrachten wir mit ihr den Abend gemütlich in der Küche.Der Montag brachte uns neue Erfahrungen ein. So entschieden wir uns nicht, mit dem Bus nach Tallinn zu fahren, sondern per Anhalter in die Hauptstadt zu kommen. Nach zwei Frauen, die uns für ein paar Kilometer mitnahmen, hielt für uns dann eine einmalige Gelegenheit: ein estnischer Truckfahrer öffnete seine Seitentür und bat uns herein. Wir hieften unser Gepäck hinauf, Bettina und ich nahmen auf dem Fahrerbett platz und Antonia nahm den Beifahrersitz in Beschlag. Während die Landschaft so umherflog, smalltalkten wir mit dem Fahrer, der uns irgendwann in Ülemiste (letzte Ortschaft vor Tallinn, wo sich u.A. auch der Flughafen befindet) absetzte, wo wir nach einer Pause in die Innenstadt aufbrachen, um für eine Nacht das Hostel "Fat Margarets" bezogen.
Der Name (zu Deutsch: "Fette Margarete" leitet sich vom Spitznamen "Paks Margareet" ab, der den nahegelegenen Wehrturm bezeichnet.

So zogen wir alsbald in die Innenstadt von Tallinn, die ich an diesen Tagen mehrmals mit dem Attribut "Soooo schön!" beschrieb. Bettina und Antonia sollen mir an dieser Stelle bitte die ständigen Wiederholungen verzeihen, doch auch wenn ich schon oft für Feiern oder einfach nur zum Umsteigen in Tallinn zu Gast war, so war dies dennoch meine erste Gelegenheit, längerfristig als Tourist die estnische Hauptstadt zu erkunden.
Uns drei Reisenden fiel bald auf, dass die Altstadt von Tallinn so gar nicht in eine Hautstadt passen wollte: klein und niedlich schlängeln sich die mittelalterlichen Gassen um den Domberg, wo Kirchtürme aus den kleinen Hinterhöfen ragten und wo Menschen in Mittelalterkleidung vor altertümlichen Geschäften oder Restaurants gastierten. Der Rathausplatz hätte ebenso Mittelpunkt einer kleinen Ortschaft im Erzgebirge oder im bayrischen Wald sein können, nicht jedoch der Dreh- und Angelpunkt der Hauptstadt eines Landes - nur wenige Kilometer weiter zeigen sich andere Bilder: Menschen in Geschäftskleidung und mit Laptops und Smarphones eilen durch die Straßen zwischen Hochhäusern, Konsumtempel werben neue Geschäfte an und Reisebusse aus aller Herren Länder stehen in der Schlange vor den Ampeln. Doch Tallinn besitzt auch noch andere Gesichter: Die lange Strandpromenade mit dem luxuriösen Yachthafen in Pirita beispielsweise, jedoch auch die endlosen Wälder an den Vororten, die Kunst- und Kulturburgen in den alten Backsteinbauten der Industrieviertel oder die Hochhausburgen aus Sowjetzeiten in Lasnamäe.
Tallinn - eine Stadt mit 1000 Gesichtern bekommt damit jetzt einmal das Attribut "SEHR GUT!" ausgesprochen - definitiv eine Empfehlung wert.
So bestiegen wir die Aussichtspunkte der Altstadt, besuchten Kathedralen und Kirchen, striffen durch kleine Gassen und Gänge und sogen das Flair dieser einzigartigen Stadt in uns auf. Nach einem guten, selbst gemachten Essen in der dürftigen Hostelküche brachen wir dann nochmal an den Hafen auf, um nicht nur einen Jahrmarkt mit deutschen Attraktionen zu sehen, sondern auch einen Blick auf das nächtliche Tallinn zu genießen, der genauso wie der Anblick von Helsinki von der Fähre eine Bereicherung für das Auge war.
Am nächsten Tag brachen wir früh auf, checkten aus dem Hostel aus und ließen jedoch noch unser Gepäck dort verwahren. Dann besuchten wir den russischen Markt am Bahnhof von Tallinn, wo wir neben Einkaufswagenladungen von Gemüse und Knoblauch auch diverse Stoffe, deutsche Süßigkeitenpackungen, russisches Konfekt und Reliquien aus Sowjet- und Nazizeiten erspähten. Nach einer Stärkungspause mit russischem Konfekt, das Bettina für uns bestellte, ging es dann auch weiter an den Stadtrand, wo wir den Fernsehturm ansteuerten.
Da an diesem Tag außerdem estnischer Unabhängigkeitstag von der Sowjetherrschaft war, fand dort unter großem Trara ein Familientag statt, der beispielsweise ein Konzert vom Militärorchester und eine Folkloretanzvorstellung beinhaltete, doch auch den Auftritt von Feuerwehr, Notärzten, Militär und Polizei, die an ihren Ständen verschiedene Aktionen anboten. Wir zogen eine Nummer für den Eintritt auf den Turm und warteten in der Menge, während wir die Vorstellungen begutachteten. Als unsere Nummer für den Aufstieg endlich aufgerufen wurde, fuhren wir mit dem Fahrstuhl die 170 hinauf, von wo aus wir einen göttlichen Ausblick über den finnischen Meerbusen und Tallinn genossen.
Im Inneren warteten gut 20 "Pilze" auf uns - 20 Informationstafeln mit Videos, Musik und Informationen über 20 verschiedene Themen, die Estland betrefen, wie etwa "E-Estland" (die technische Revolution im Land), den Komponisten Arvo Pärt oder eine Station, in der man den Ausblick nach außen verändern konnte. So konnte man sich die Landschaft in den verschiedenen Jahreszeiten, bei Nacht, aber auch in verschiedenen Jahrhunderten ansehen und entsprechende Informationen gewinnen.
Auf der Freiterrasse konnten wir dann auch noch frische Luft atmen und den Ausblick weiter genießen. Durch Pirita, einen etwas reicheren Stadtteil mit dem alten Yachthafen, der für die 1980er olympischen Spiele in der Sowjetunion gebaut worden war, bei denen in Tallinn die Segelwettbewerbe ausgetrugen wurden, schritten wir langsam zurück Richtung Stadtkern - doch nicht ohne eine Pause vor der Skyline von Tallinn. In Kadriorg (Katharinenthal), wo das Fürstenanwesen eines russischen Zaren (leider vergaß ich den Namen) in einer großen Parklandschaft sitzt, schritten wir durch Mengen von Menschen, die zum abendlichen Robbie-Williams-Konzert auf dem Lauluväljak zogen, um in den Parkkern zu kommen, wo nah am Schloss Katharinenthal ein Konzert für die Unabhängigkeitsfeier stattfand. Chöre und Orchester performten dort estnische Lieder und trugen ebenso wichtige Texte vor, um die Wiedererlangung der Unabhängigkeit Anfangd er 90er Jahre zu feiern.
Mit einem "Kali" (Brotbier ohne Alkohol) stießen wir dann auf uns an, sowie auf unseren Urlaub, auf Tallinn und die Unabhängigkeit Estlands. Am Abend führten wir uns noch einmal in ein kleines Restaurant in einer Seitengasse der Tallinner Altstadt, wo es beispielsweise Ziegenkäse und Elch gab. Zwei Tische weiter saß der Taiwanische Botschafter in Estland, wie wir später herausfanden. Am Ende des Abends bestiegen wir dann samt Gepäck den Bus zum Flughafen, wo wir auf einer Bank nächtigten - bzw. auf dem Boden, der dennoch einen besseren und längeren Schlaf zuließ als der Flughafen in Helsinki.
Am Morgen wünschte uns sogar der Wachmann einen herzlichen guten Morgen und nach einem Frühstück mussten wir Antonia verabschieden, die über Riga zurück nach Deutschland flog.
Ein großes DANKE dir fürs kommen. Es war ein magischer Urlaub.
Bettina und ich zogen dann noch ein wenig weiter durch das Okkupationsmuseum, wo gerade eine Ausstellung über die "Waldbrüder" tagte. Die "Waldbrüder" waren etwa 50.000 Menschen, meistens Männer, die sich nach der Sowjetokkupation in Bunkern in den estnischen Wäldern versteckten und den Widerstand planten - bspw. durch Sabotage, Flugblätter und Überfälle auf sowjetische Einrichtungen.
Auch dem Zoo in Tallinn statteten wir einen Besuch ab, genauso wie ein paar kleinen weiteren Gässchen, etwa der Katharinengasse (der "schönsten Gasse Tallinns" laut Reiseführer) und dem Wollmarkt an der alten Stadtbastion. Am Abend bestiegen wir dann den "Täistunniekspress", den wohl luxuriösesten Bus, der in Estland durch die Gegend fährt. Zu jeder vollen Stunde bringt er die Fahrgäste zum Normaltarif (!) von Tartu nach Tallinn oder zurück und stellt dabei jedem Gast einen komfortablen Sitzplatz und einen eigenen Monitor zur Verfügung, auf dem man sich aus 40 Filmen einen heraussuchen kann, live Fernsehen schauen, Radio oder Musik hören, Onlinezeitung lesen oder Spiele spielen kann. So vertiefte ich mich in "Walk the line", während die Straße nach Tartu an uns vorbeirauschte. Bettina und ich verbrachten noch ein paar schöne letzte Tage zusammen, bevor wir sie dann zu ihrem Buss brachten, denn sie würde nicht nach Russland, sondern bereits nach Deutschland zurückkehren. Von Abschiedsschmerz gab es zwar auch genug, jedoch überwog die Freude auf das nächste Zusammenkommen noch mehr, was sie auch jetzt noch tut, und so ging es tränenlos (!) auseinander.
Ein großes DANKE auch an Bettina, die immer so viel Geld investiert hat, mich besuchen zu kommen, und die mir meine Zeit hier versüßt hat :*
Somit war der aus langer Hand geplante Urlaub auch schon vorbei.
Wie schnell die Zeit vergehen kann ...

Weitere Neuerungen standen jedoch bald ins Haus, denn wir durften unsere neuen zwei Freiwilligen begrüßen: Mirjam und Markus, die über die Diakonie Mitteldeutschland hier sind.
Mirjam kommt aus Thüringen und Markus aus Sachsen! Juchey :)
So wurde jetzt einiges geändert und ich teile mir mit Markus ein größeres Zimmer und Mirjam wohnt in meinem alten Zimmer. Ich freue mich schon auf alle Aktionen mit den Neuen und auf die kommenden Monate. :)

Der Herbst wird bald eingeläuter. Äpfel und Birnen werden eingesaftet, Marmelade eingekocht, Gurken und Pilze werden eingelegt. Die Welt dreht sich weiter... auch in Estland.

Head aega,
Marcel

Montag, 5. August 2013

Rä-rä-räpina

Letzten Freitag stürmte ich samt Kalju im Rollstuhl gegen halb fünf aus der Sauna und trampelte im Matsch und Regen zum Sõbra Maja, nur um dann kurze Zeit später mit Rucksack und nassen Haaren auf die Rückbank des Kia zu hechten. Ich war noch schnell mit Kalju in der Sauna und wollte nun mit Elisabeth auf den Weg nach Räpina, das knapp 40 Kilometer östlich, kurz vor der russischen Grenze, gelegen ist. Elisabeths Stelle im ersten halben Jahr ihres Auslandsdienstes, bevor sie nach Maarja Küla wechselte, verbrachte sie ebendort, wo sie in einem diakonischen Altenheim arbeitete. Noch im Bus von Põlva nach Räpina war die Atmosphäre sehr gelassen, sodass wir uns zu schlechten und noch schlechteren Witzen hinreißen ließen. "Frankfurt am Schleim" war nur einer davon.
In Räpina angekommen besuchten wir zunächst etwas, das wie aus dem estnischen Bilderbuch ausgeschnitten klingt:
Kleines Holzhüttchen, Holzstapel neben der Sauna im Hinterhof, genähte Gardinen im Fenster, Zwiebel- und Dillreihen neben Apfelbäumen im Garten und eine ältere Estin in Traditionskleidung, die uns empfängt. Die gastgebende Estin Hilja lud Elisabeth samt Anhang (MICH!), sowie Elisabeths dortige Mitfreiwillige Lisa ein, da im Moment der allererste Freiwillige des Projektes Jonathan mit Schwester und deren Freundin zu Besuch war. Es bot sich ein leckeres Abendessen, das so gar nicht in die Atmosphäre in diesem kleinen Holzhaus samt Holzofen und urigem Mobilar passen wollte: Spagetthi. Die Pfirsische, der leckere Apfelsaft und insbesondere der Rotwein rissen es dann aber noch raus ;-)


Zwar nicht eben jenes Haus, aber ungefähr so darf man
sich ein estnisches Bilderbuchhaus vorstellen :)
Es bot sich ein nettes Gespräch über Gott und die Welt und ich genoss den urtypischen, bilderbuchhaften Aufenthalt im Haus sehr. Zwischendurch heizten Elisabeth und ich in die lutherische Kirche von Räpina, um bei einer Taizé-Andacht teilzunehmen, wo Elisabeth auch querflötete :)
Die Lieder auf estnisch einzusingen, die ich alle schon aus Taizé kannte, war sehr ... nun ja... gewöhnungsbedürftig, doch es hat mich sehr gefreut. Ich durfte sogar einen Kyrie-Text auf Estnisch vortragen. Nach der Andacht gab es dann noch einen kleinen Plausch mit der Pianistin und Pfarrersfrau, die Elisabeth tausendmal für alle Auftritte dankte und ihr sagte, sie könne noch nicht gehen, was ich mir insgeheim auch schon dachte.

Bild: Jarmo Kauge
Im Moment ist Anna bereits fast eine Woche in Deutschland, Philipp reist auch morgen ab und bald wird auch mein Lieblingshuhn (Elisabeth) ausflattern. Ich freue mich zwar wahnsinnig, mit den neuen Freiwilligen Alina und Tamar (aus Georgien, kam soeben in Estland an) Zeit zu verbringen, doch etwas wehmütig macht es mich schon doch, alle gehen zu sehen, die ich so lieb gewonnen habe. Aber es ist ja nicht aller Tage Abend und wir sehen uns ja dann spätestens in Deutschland wieder.

Wie dem auch sei... zumindest zog es uns nach der Andacht zurück in das Haus von Hilja, wo wir das Essen, Trinken und die Gespräche weiterführten. Wir besichtigten dann auch noch das Diakonie-Haus, eben jenes Haus, wo Elisabeth das erste halbe Jahr wohnte und das Jonathan, der erste Freiwillige von dort, noch nicht renoviert gesehen hat. Am Ende des Abends wurden wir lieb verabschiedet und so ließen wir uns im Diakoniehaus nieder.
Am nächsten Morgen gab es ein rasches Frühstück und dann eine kleine Tour durch das wirklich wirklich hübsche kleine Räpina, das mehrere schöne Gärten, einen kleinen süßen Hof und einen stattlichen See umfasst.
Bild: Vaido Otsar
Am Mittag trafen wir uns dann mit Alina in Tartu, der wir ersteinmal die nötigsten Ecken und natürlich den Maarja-Küla-Shop zeigten. Der Sonntag verlief eher ruhig - so schlief ich auch relativ viel, was aber angesichts der nächsten Wochen eher ratsam ist.
Am Samstag geht es bei mir schon zum MidTerm-Training, meinem Zwischenseminar. Danach reise ich gleich weiter nach Helsinki, wo ich meine liebe Bettina und die ebenso liebe Antonia in Empfang nehme. Zusammen geht es dann auf durch die finnische Hauptstadt und ebenso durch Estland.
Jippie :)