Sonntag, 12. Mai 2013

Es grünt so grün ...





Welch eine aktive Woche liegt hinter mir ....
Ich weiß gar nicht, wo ich mit dem Schreiben anzufangen hätte und daher werde ich einfach mal chronologisch vorgehen.
Am letztwöchigen Samstag wurden wir zunächst von den 5 deutschen Freiwilligen aus dem Camphill-Projekt in Pahkla nahe Tallinn überrascht, die auf einen Spontanbesuch vorbeischneiten.
Ein Dämmerungsspaziergang durch Taevaskoja folgte, sowie der Abendabschluss mit Gurken, Tee/ Kaffe und Süßkram in der Vana-Maja-Küche.
Sonntag jedoch brachen Anna, Elisabeth und ich bereits am Morgen in den Wald auf. WANDERTAG! Juchee! :)
Ein wenig Boot fahren wollten wir, die Angel auswerfen, Lagerfeuer machen und herumwandern.
Ich, bei dem Versuch unser 8-t-Boot
wieder zur Brücke zu manövrieren
Ein sehr großes Boot jedoch zunächsteinmal mit drei Mann zu Wasser zu lassen, gestaltete sich als äußerst Kraft- und Zeitraubend, aber hey - wir wollten ja auch damit fahren.
Als wir das Monster von einem Ruderboot dann ins Wasser gehieft hatten, begannen wir unsere Reise flussaufwärts auf den Ahja-Fluss (Betonung wie die deutsche Interjektion "Achja!"). Bezeichnenderweise kämpften Strömung und Wind zu jedem Zeitpunkt gegen uns, ob wir nun flussauf- oder -abwärts rudern wollten. Im Endeffekt haben wir es mit einigen Drehungen aber doch geschafft.
Die Angel, an der wir nur eine Bifi befestigen konnten, fing uns leider nichts ein, jedoch waren wir gut vorbereitet und haben am Lagerfeuer Würstchen, Brot und Käse gegrillt. Desweiteren waren auch noch Obst, Gemüse, Quark und Süßkram bei uns. Ich konnte sogar in einer Blechbüchse Tee über dem Feuer kochen. Sehr angenehme Erfahrung. Dafür nimmt man auch den Rauchgeruch in der Kleidung auf sich. Geschafft ging es dann am frühen Abend nach Maarja Küla zurück, wo wir an der Feuerstelle neben der Bootsbrücke das zweite Lagerfeuer bereiteten. Alles in allem ein sehr schöner Outdoor-Tag.
Einen Tag später, am Montag den sechsten Mai, bin ich von Freudentrubel zu Freudentrubel gereist, denn ich wurde mehrmals im Dorf überrascht. Es war mein Geburtstag, an dem ich mir frei genommen habe, aber da ich ja nicht allein sein wollte, habe ich de facto die Zeit mit Anna, Elisabeth und den Dörflern verbracht. Es wurde dreimal für mich gesungen, ich habe Blumen und Schokolade geschenkt bekommen und wurde im Minutentakt umarmt. Ein wunderschöner Geburtstag.
Das Grün in Kanepi, auf dem wir
Elistvere niedergerungen haben
Die restliche Woche wartet die Arbeit im schwedischen Haus auf mich sowie zwei meiner letzten Estnischstunden und das erste Fußballspiel der Saison, beidem Arbeiter und Bewohner von Maarja Küla dieses Mal gegen die Besatzung eines Projektes in Elistvere spielten. Maarja Küla gewann 2:1!... und am Abend hatte ich meine erste Sauna mit mehr als 100°!
Jucheeey! :)
Ich bemerke mit Elisabeth, dass Zucchinisaft eine
sinnlose Idee ist :)
Im Moment sitze ich im Bus aus Tallinn nach Tartu. Anna, Elisabeth und ich haben diesen Samstag einen Rückbesuch bei den Freiwilligen in Pahkla abgehalten. Das Projekt ist quasi ein "Partnerprojekt" von Maarja Küla, dessen Produkte auch in einem Extraregal in unseren Shops verkauft werden. Das Camphill-Dorf Pahkla besitzt ungefähr 20 Bewohner und ist von der Fläche her viel größer als Maarja Küla, da dort aktiv Landwirtschaft betrieben wird. Es gibt Kühe, Schweine, Hühner .... alles was eben so zu einer Farm dazugehört. Die Produkte werden dann bis nach Tallinn abgesetzt oder selbst genutzt. Im Winter werden in den Werkstätten zum Beispiel Teppiche oder Kerzen hergestellt.

Nebenbei ein kleines Gedankenspiel, das wir deutsche Freiwillige von Maarja Küla nach Annas Idee entwickelt haben: Eine ironische Liste an Dingen, die uns zeigen wie lange wir schon an Estland gewöhnt sind (die anderen selbstverständlich noch mehr als ich). Ich klaue mir die Liste nun einfach mal auf meinen Block. Das Original kann auch im Blog von Anna eingesehen werden:

Du bist schon ziemlich lange in Estland, wenn ...

  • -15° Außentemperatur dir warm, 80° in der Sauna dir jedoch kalt vorkommen
  • du im Winter vergisst, wie die Welt unter dem Schnee aussieht
  • du bei Temperaturen über 0° deine Sommerklamotten auspackst
  • du an einem Tag ohne Kartoffeln Entzugserscheinungen bekommst
  • auf Landstraßen deiner Meinung nach Streusalz unnötig ist
  • du Schneeschichten wie Baumringe lesen kannst
  • dir eine Woche ohne Sauna wie eine halbe Ewigkeit vorkommt
  • du über Wörter wie 'kontsert', 'informatsioon' und 'miljöö' nicht mehr lachen musst
  • die deutsche Schreibweise von Namen wie 'Liisa' oder 'Tiina' dir irgendwie komisch vorkommt
  • du deinen Kaffeesatz für die nächste Sauna aufbewahrst
  • es für dich völlig normal ist, in Skihose und Gummistiefeln das Haus zu verlassen
  • 'in den Wald gehen' für dich ein normales Hobby ist
  • du Busse für das beste Fernverkehrsmittel hälst
  • du keinen Laden ohne Kohuke verlässt
  • Sätze von Esten wie 'Das ist der Cousin einer Freundin meiner Schwester' beim Fernsehen völlig normal sind
  • du an der Fleischtheke im Supermarkt eine Nummer ziehst, auch wenn die Schlange nur aus zwei Menschen besteht
  • du so gut wie nie zuvor über den Eurovision Songcontest informiert bist
  • dir das Geschlecht von Namen wie Aino, Taavi, Hippe, Üle, Kaire und Toivo sofort klar ist
  • du Milchprodukte nicht in Tetrapacks, sondern in Beuteln rechnest
  • Steinschläge zur Autodeko gehören
  • mehr als 50km für dich eine Langstreckenfahrt sind
  • du mehr Witze über Lettland als über Holland machst
  • saure Sahne zu allem schmeckt
  • Bushaltestellen ein Indiz für Leben sind
  • du alles ab 5.000 Einwohner Großstadt nennst
  • du vier Autos hinter einem Traktor als 'Stau' bezeichnest 
  • du dich wunderst, wenn du in der Öffentlichkeit kein WiFi hast
  • 2/3 deiner Nahrung aus Milchprodukten bestehen
  • du weißt, dass "jäääär" und "töööö" zusammengesetzte Wörter sind

Nägemiseni,
Marcel

P.S. Die Blätter sind auch endlich da und wir hatten bis zu 25 Grad diese Woche.
Das ist ein äußerst verrückter Gedanke, wenn man bedenkt, dass wir vor nicht mal einem Monat noch durch den tiefen Schnee gewatet sind.

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