Sonntag, 5. Mai 2013

Eestlane olen ...



„Este bin ich…“ zwar nicht, aber mir geistert das Lied „Eestlane olen ja eestlaseks jään!“ (Este bin ich und als Este bleibe ich) schon seit Tagen durch den Kopf, begleitet von „Mu isamaa, mu õnn ja rõõm“ (Mein Heimatland, mein Glück und meine Freude) und „Koit“ (Sonnenaufgang).
Schuld sind die Tartuer Studententage, in deren Rahmen am Montag das Öölaulupidu stattfand. Das „Nachtsingfest“. 
Angelehnt an seinen alle 5 Jahre stattfindenden großen Bruder – dem Laulupidu in Tallin, bei dem bis zu 10.000 Sänger und 100.000 Besucher auf dem Tallinner Sängerplatz zusammenkommen, drängelten sich an diesem Abend ca. 9.000 Besucher auf dem „kleinen“ Lauluväljak in der Studentenstadt Tartu.
Ca. drei Stunden wurden unter der Begleitung von Band und Sängern estnische Nationallieder gesungen, eingeläutet von der Nationalhymne „Mu isamaa, mu õnn ja rõõm!“.
Zum ersten Mal zeigte sich mir dort deutlich, dass es tatsächlich der Wahrheit entspricht, dass die Esten eine Sängernation sind, denn auch wenn es nicht immer sehr melodisch war, so sang doch fast jeder in der Menge aus größtenteils Studenten die Lieder mit – auch ohne Liedhefte.
Zwischendurch wurde die Stimmung von vorne durch Einlagen weiter eingeheizt.
Viele der Lieder haben vor ca. 20 Jahren zur Zeit der sogenannten „Singenden Revolution“, der unblutigen Befreiung Estlands vom Sowjetregime, eine tragende Rolle gespielt.
Trotz dessen, dass Estland mit 1,4 Millionen Menschen eine der kleinsten Nationen Europas darstellt, verfügt die estnische Kultur dennoch über einen der größten Vorräte an Volksliedern, Folkloristik und Musikstücken. Viele der Stücke haben Jahrhunderte überlebt und viele sind auch erst in jüngerer Zeit entstanden. Gerade während der Sowjetokkupation haben die Lieder vielen Esten Hoffnung gegeben und das Symbol der estnischen Einheit weitergetragen.
So standen wir also – alle vier deutschen Freiwilligen sowie einige estnische Arbeiter aus dem Dorf – ebenso in der Menge und haben kräftig mitgesungen, was je nach Tempo des Liedes auch mal für mich unmöglich war.
Erschöpft, aber begeistert erreichten wir dann jedoch gegen Mitternacht wieder das Dorf.
Einen Eindruck vom „kleinen“ Öölaulupidu der Tartuer Studententage gibt es HIER im Video.
Einen Abend später ging es dann in einer kleineren Feier zur Verabschiedung des Aprils und zur Begrüßung des Mais. Wie in einigen Teilen Deutschlands auch, herrscht in Estland die Sage vor, dass in der Nacht zum ersten Mai, der hier ebenso Feiertag ist, die Hexen auf ihren Besen durch die Lüfte fliegen. So fand auch im Dorf ein Feuer statt, um das wir uns mit Bewohnern versammelten. Einige Lieder wurden gesungen, Tiina (die Hausmutter vom Nordischen Haus) verkleidete sich als Hexe und wir hielten Brot ins Feuer. Schließlich kam Elisabeth und mir die Idee auf etwas Kindheit: Stockbrot!
Also schlichen wir uns ins Sõbra Maja und fertigten eine Fuhre Stockbrotteig an, der im Feuer auch sehr lecker wurde, jedoch etwas klein ausfiel, da wir weder die Zeit hatten, den Teig gehen zu lassen, noch Weizenmehl, da wir aufgrund der Weizenmehlunverträglichkeit eines Bewohners Stockbrotteig mit Reismehl zubereiteten. Die Bewohner freute es nun sehr und uns deutsche Freiwillige umsomehr. Den ersten Mai verbrachte ich schließlich friedlich – war es doch ein Feiertag.
… und meine langen Gebete nach Grillware wurden erhört, denn wir grillten tatsächlich mit dem Sõbra Maja einige Würstchen. Zudem schwamm ich auch das erste mal im Ahja-Fluss nahe dem Dorf. Nun ja. „Schwimmen“ bedeutet, dass ich hineinsprang und nach drei Sekunden wieder rauskam, aber ich war drin, denn das Eis ist weg und der Frühling ist da. In diesem Moment, in dem ich gerade tippe gibt es herrliche 19 Grad und die Vögel zirpen. Bald dürften auch die Blätter kommen. Nun habe ich es auch endlich geschafft, viele Dorffotos zu machen, die ihr in der Galerie finden werdet. Ein Blick auf den vorherigen Eintrag lohnt sich auch, denn es ist mir endlich gelungen, die Bilder auf den Eintrag zu laden.

Heute gehe ich mit Anna und Elisabeth wandern und Montag, an meinem Geburtstag, habe ich einen freien Tag, an dem ich im Dorf entspannen werde.
Es bleibt spannend in Estland.

Näeme,
Marcel

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